Er selbst nennt es eine Art „Coming-Out“: Hape Kerkeling spricht erstmals öffentlich über den frühen Tod seiner großen Liebe Duncan. Dass er als Homosexueller heutzutage noch immer angefeindet werde, sorgt ihn ebenso wie der Aufstieg der AfD.
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Schauspieler, Bestsellerautor („Ich bin dann mal weg“), Synchronsprecher, Entertainer: Hape Kerkeling ist einer der beliebtesten und bekanntesten deutschen Stars.
In seinem neuen Buch enthüllt der 59-Jährige nun ein Hobby, das er mit vielen Deutschen teilt: die Ahnenforschung. Dass er selbst dabei auf adelige Vorfahren zurückblicken kann, hatte Kerkeling schon vor Monaten enthüllt: Demnach ist er der Urenkel des britischen Königs Edward VII. (1841-1910).
Nun ist „Gebt mir etwas Zeit“ erschienen und überrascht mit intimen Einblicken. Denn erstmals schreibt der Künstler auch über einen anderen, wichtigen Teil seines Lebens: seine Homosexualität und die große, der Öffentlichkeit bisher unbekannte Liebe zu seinem Partner Duncan, der Ende der 1980er an Aids starb, im Alter von nur 30 Jahren.
Kerkeling, der in den 80er-Jahren zum Fernsehstar wurde, hatte seinen Partner in Amsterdam kennengelernt, jener liberalen Metropole, in der Kerkeling damals, so schreibt er selbst, sein Schwulsein offen leben konnte. 1987 trifft er dort auf Duncan: „Das Lächeln in Kombi mit den strahlend blauen Augen zwingt mich fast in die Knie. O mein Gott, ist dieser Mann schön!“ Vor der ersten gemeinsamen Nacht ist ihm „schlecht vor Aufregung und Vorfreude, aber auch vor Angst“.
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Denn es ist die Hoch-Zeit von Aids. „Im Hinterkopf küsst bei mir die Mahnung vor dem Todesvirus mit, und ich analysiere parallel mein eigenes Verhalten auf mögliche Sicherheitsmängel.“
„Ich hatte wahnsinnige Angst“, sagt Hape Kerkeling
Nach einiger Zeit verfliegen die Bedenken, es entwickelt sich eine Beziehung – Duncan erweist sich als „unendlich liebevoller und zärtlicher Mann“. Doch dann muss er seinem „Petertje“ eines Tages unter Tränen berichten, dass er sich tatsächlich mit HIV angesteckt hat.
Ein großer Schock – zumal Kerkeling befürchten muss, sich ebenfalls infiziert zu haben. „So viel Zeit wie möglich verbringe ich nun mit Duncan in Amsterdam. Zwischendurch muss ich immer wieder – gut gelaunt – Fernsehauftritte bewerkstelligen. Keine Ahnung, wie ich das schaffe. Innerlich gehe ich täglich und nächtlich durch eine Hölle“, schreibt er. Als Kerkeling – damals selbst erst Mitte Zwanzig – schließlich die erlösende Nachricht bekommt – sein Test ist negativ – nimmt er das als Ausweis „von göttlicher Gnade“.
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„Ich wollte einmal über diese Liebe reden, die so tragisch endete. Man kann sich heute gar nicht mehr vorstellen, welchen Schrecken Aids damals verbreitet hat“, so Kerkeling nun zu „Bunte“ über seine Beweggründe, die Geschichte nun zu erzählen. „Ich hatte wahnsinnige Angst! Und ich hatte ein unbeschreibliches Glück, dass ich das Virus nicht bekommen habe, obwohl Duncan erkrankt war und schließlich daran starb.“
„Mich kostet es Mut“, sagt Kerkeling über sein zweites „Coming-out“
Zu den intensivsten Stellen des Buchs gehören jene, in denen Kerkeling den schnell fortschreitenden Verfall seines geliebten Partners beschreibt – die Ärzte standen der Krankheit zu dieser Zeit (diagnostiziert wurde die Erkrankung bei Duncan im Jahr 1988) noch fast machtlos gegenüber. „Nach meinen Besuchen in Amsterdam breche ich in meiner Düsseldorfer Wohnung regelmäßig zusammen.“
Eine bittere Erfahrung ist auch, dass sich viele alte Freunde von Duncan abwenden. Und ähnlich wie später in der Corona-Pandemie gibt es auch zu dieser Zeit schon Leute, die die Existenz der Seuche schlicht leugnen. Eine neue Wendung nimmt das Geschehen dadurch, dass Duncans Freund Kees den Sterbenden bei sich aufnimmt – aber nur unter der Bedingung, dass dessen deutscher Partner – auf den er eifersüchtig ist – das Haus nicht betritt. Wenig später stirbt Duncan, „kurz nach seinem 30. Geburtstag“, wie der Autor ebenso kurz wie berührend schreibt.
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Auf die Frage der „Zeit“ hin, die Kerkeling ebenfalls zum Interview traf, ob sein Buch nun eine Art zweites „Coming-out“ sei, antwortet der 59-Jährige: „Vielleicht ist es sogar überhaupt mein Coming-out. Sie merken ja, mir fällt das nicht leicht, mit Ihnen darüber zu reden. Es ist einfacher, das in einem Buch mit dem Leser Tête-à-Tête zu besprechen als in einem direkten Gespräch. Ich wäre nie im Leben auf die Idee gekommen, in einer Talkshow darüber zu sprechen oder in einem Interview. Ich hatte das Gefühl, jetzt zum Sechzigsten passt es und gehört noch einmal erklärt, besprochen und geheilt.“
Auf die Nachfrage hin, ob es dazu heute noch „Mut“ brauche, antwortet Kerkeling: „Mich kostet es Mut.“ 1991 wurde Kerkeling vom Filmemacher Rosa von Praunheim gegen seinen Willen in einer Talkshow geoutet, gemeinsam mit der (mittleweile verstorbenen) Talkmaster Alfred Biolek, der damals ebenfalls nicht offen homosexuell lebte.
Sorge wegen der Wahlerfolge der AfD
Die Zeit des Schweigens ist längst vorbei. Seit 2017 ist Hans-Peter „Hape“ Kerkeling mit seinem aktuellen Lebenspartner Dirk Henning verheiratet. Über das Leben als homosexuelles Paar in Deutschland sagte er wiederum der Zeitschrift „Bunte“: „Mein Mann und ich sind Hand in Hand durch Berlin gelaufen. Aber es stimmt, dass die Atmosphäre dort und in Ostdeutschland deutlich homophober ist als im Westen. Man muss sich der Tatsache bewusst sein, dass man einer Minderheit angehört und damit in der ersten Reihe steht, wenn Schuldige gesucht werden.“
In dem Zusammenhang äußerte sich Kerkeling auch zum Aufstieg der Alternative für Deutschland (AfD) in den neuen Bundesländern. „An Wahltagen wie zuletzt in Thüringen habe ich das Gefühl, mein Hals schnürt sich langsam wieder zu. Einerseits sind wir in der Gesetzgebung so weit, dass man sich als queerer Mensch schon sehr frei fühlen kann. Andererseits hat es noch nie so viel Anfeindung, Aggression und Brutalität in unsere Richtung gegeben. Es ist deutlich schlimmer als vor zehn Jahren.“
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Ferner wurde Kerkeling auch gefragt, ob er sich vorstellen könnte, sich in Zukunft auch politisch zu engagieren. „Wenn alle Stricke reißen ...“, antwortete er, und führte dann weiter aus: „Man stellt mir diese Frage komischerweise jetzt öfter. Aber ich habe das nie vorgehabt. Und ich habe es auch nicht vor.“
Dennoch beunruhigten ihn die Wahlerfolge der AfD natürlich, so der Schauspieler und Autor zur „Zeit“. „Eigentlich müssen jetzt schon alle den Mund aufmachen. Es ist ja nicht mehr fünf vor zwölf, wir sind doch schon weit nach Mittag. Aber viele sind in einer Art Schockstarre. Weil man sich nicht vorstellen konnte, wie schnell die AfD an Boden gewinnt. Was passiert als Nächstes? Wie wird die Polizei reagieren, wenn sie in Thüringen den Befehl bekommt, eine Antifa-Demo mit Wasserwerfern zu beschießen?“
Hape Kerkeling: „Gebt mir etwas Zeit. Meine Chronik der Ereignisse“, Piper Verlag, 24 Euro
mit dpa